
Wärmerer Krieg oder kälterer Krieg?
Wärmerer Krieg oder kälterer Krieg? Eine kritische Analyse der Eskalation im Nahen Osten
Fragestellung: Droht das Scharmützel mit Israel in einen umfassenden Krieg zu eskalieren?
Die jahrzehntelange Konfrontation zwischen der Islamischen Republik Iran und dem Staat Israel hat einen alarmierenden Wendepunkt erreicht – einen Punkt, den beide Akteure mit aller Kraft zu vermeiden suchten. Diese gefährliche Situation ist das Ergebnis eines über Jahre hinweg gewachsenen Konflikts. Mit der Entfaltung iranischer Raketen, die auf israelische Militärstützpunkte gerichtet sind, und den umfassenden israelischen Militäroperationen gegen iranische Verteidigungsstellungen spitzt sich die Feindschaft zu. Diese Auseinandersetzung, deren Wurzeln in den turbulenten Jahren der Revolution von 1979 liegen, hat sich zu einem fest etablierten Konflikt entwickelt, dessen Auswirkungen sowohl regional als auch global weitreichend sind.
Die Beziehungen einiger iranischer revolutionärer Kräfte zu palästinensischen Organisationen reichen viele Jahre in die Zeit vor der islamischen Revolution zurück. Iranische Guerillas erhielten angeblich in palästinensischen Lagern eine Ausbildung, um Unterstützung zu leisten, doch in Wirklichkeit waren es dieselben Kämpfer, die entschlossen darauf hinarbeiteten, eine Islamistisch-Marxistische Revolution im Iran voranzutreiben. Während dieser kritischen Phase agierte Israel, das den Panarabismus als gemeinsamen Feind betrachtete, als stiller Partner und Informant. Der israelische Geheimdienst Mossad lieferte dem iranischen Geheimdienst SAVAK entscheidende Informationen und entblößte ernsthafte separatistische Bewegungen in Khuzestan, die Unterstützung aus dem Irak erhielten. So fungierte der Mossad nicht nur als Beobachter, sondern auch als aktiver Spieler in diesem geopolitischen Schachspiel.
Die über fünf Jahrzehnte andauernde Auseinandersetzung hat nun ihren Höhepunkt in einem offenen Krieg erreicht. Diese Eskalation wirft eine entscheidende Frage auf: Wie lange wird dieser Konflikt andauern? Wird das gegenwärtige Scharmützel weitergeführt oder in eine umfassende Militäraktion umschlagen? Ein Teil der Antwort liegt im Kontext der bevorstehenden US-Wahlen im Jahr 2024. Obwohl der Konflikt nicht neu ist, wurde die jüngste Welle der Aggression durch die Ereignisse vom 7. Oktober 2023 entfacht. Es ist unbestreitbar, dass Israel seit Jahren auf einen großangelegten Konflikt zwischen Gaza und Teheran vorbereitet ist. Die erste Schlussfolgerung aus dieser Analyse ist klar: Solange der Konflikt anhält, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit intensiverer militärischer Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Iran.
Aktuell beginnen die israelischen Streitkräfte mit Luftangriffen auf Baalbek im nördlichen Libanon, was möglicherweise die Ausweitung des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah auf das gesamte Land zur Folge haben könnte. Der Umfang und die Dauer dieser militärischen Auseinandersetzungen sind jedoch vollkommen ungewiss. Israels erklärtes Ziel ist es, die Hisbollah zu schwächen und sie zur Niederlegung der Waffen zu zwingen – eine Forderung, die auf erheblichen Widerstand stoßen dürfte. Daher könnte der Konflikt über das mögliche Ende der Kämpfe in Gaza hinaus im Libanon fortdauern.
Die Regierung unter Benjamin Netanjahu sieht sich in Bezug auf eine mögliche Eskalation mit keinerlei internen politischen Herausforderungen konfrontiert. Im Gegenteil, einige politische Akteure außerhalb der Regierung kritisieren, dass Netanjahu die iranischen Ölraffinerien nicht angegriffen hat, um nicht an Ansehen zu verlieren – was seine Popularität zusätzlich steigert. Diese Haltungen reflektieren die breite Zustimmung innerhalb der israelischen Gesellschaft für einen direkten Krieg mit dem Iran.
Netanjahu hat die Spannungen mit dem Iran bis an den Rand des Krieges geschürt und beobachtet nun die Ergebnisse der US-Wahlen, um seine nächsten Schritte zu planen. Sollte die Demokratische Partei unter Kamala Harris im Weißen Haus bleiben, könnten sich allmählich Verhandlungsmöglichkeiten zwischen dem Iran und den USA eröffnen, was eine Lockerung der wirtschaftlichen Sanktionen zur Folge hätte und dem Land eine dringend benötigte Atempause verschaffen würde.
Gewinnt jedoch Donald Trump die Wahlen, wird deutlich, wie sich die amerikanische Nahost-Politik gestalten wird: verstärkter Druck auf die Islamische Republik, umfassende Unterstützung für Saudi-Arabien und großzügige Hilfe für Israel. Ein Wahlsieg von Harris könnte hingegen das Spannungsniveau mit dem Iran weiter erhöhen, während Israel versuchen könnte, die USA in einen Konflikt mit dem Iran hineinzuziehen. Auch die Europäer haben dem Iran aufgrund des Ukraine-Kriegs kaum noch Sympathien entgegenzubringen. Solange sich keine politische Wende vollzieht, bleibt das Spannungsniveau hoch und der Iran steht weiterhin unter immensem Druck.
Sollte Trump gewinnen, kann Israel sich sicherer sein, wie Washington auf Teheran reagieren wird, und hätte weniger Anreiz, selbst aktiv Öl ins Feuer zu gießen. Trumps isolationistische Politik lässt darauf schließen, dass er direkte militärische Verwicklungen vermeiden möchte. In diesem Szenario könnte eine Übereinkunft zwischen Israel und Trump entstehen, die Sanktionen und Druck auf den Iran maximal erhöht. Im Gegenzug würde Israel den letzten Schritt zur Eskalation – eine direkte Konfrontation mit dem Iran – zurückstellen und den Druck allein den USA überlassen.
Die Antwort auf die heutige Frage lautet somit: Eine Verschärfung der Spannungen im Falle eines Sieges von Harris und eine Stabilisierung oder gar Reduzierung der Spannungen bei einem Sieg von Trump. Letztlich sind keine dieser Perspektiven vielversprechend für die innenpolitische Lage im Iran. Die wirtschaftliche Krise im Iran lässt sich ohne eine Lösung der außenpolitischen Probleme kaum entschärfen. Wenn selbst China und Russland den Angriff Israels auf den Iran nicht ausdrücklich verurteilen, ist die diplomatische Gewichtung klar. Ein Dialog mit der Trump-Regierung erscheint angesichts von Trumps eigener Haltung nahezu unmöglich, während Gespräche mit einer Harris-Regierung aufgrund des israelischen Einflusses als unwahrscheinlich gelten müssen. Die beiden bestehenden Optionen sind daher entweder eine Eskalation des heißen Krieges oder eine Verschärfung des kalten Krieges – und beide Szenarien belasten die ohnehin angeschlagene Wirtschaft des Iran weiter.