
Strukturelle Risse innerhalb der Islamischen Republik
Strukturelle Risse innerhalb der Islamischen Republik: Die Koalition der Loyalisten im Schatten der Iran–Israel-Krise
Die israelischen Angriffe auf iranische Militär- und Nuklearanlagen am 13. Juni 2025, bekannt unter dem Namen „Operation Rising Lion“, gehen weit über ein bloßes Luftgefecht hinaus. Mit der gezielten Tötung von über zwanzig hochrangigen Kommandeuren, darunter Hossein Salami und Mohammad Baqeri, sowie der Zerstörung der Urananreicherungsanlagen in Natanz und Chandāb ist das sicherheitspolitische Rückgrat der Islamischen Republik bereits in seinen Grundfesten erschüttert.
Nur wenige Wochen zuvor hatte Ayatollah Ali Khamenei, nach nahezu drei Jahrzehnten konsequenter Ablehnung direkter Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten, erstmals grünes Licht für Gespräche mit der Regierung von Donald Trump in Oman gegeben. Dieser Schritt wurde im Rahmen der alten Staatsdevise „weder Osten noch Westen“ als taktisches Manöver zur Eindämmung der Wirtschaftskrise und zur Wahrung politischer Legitimität gerechtfertigt. Doch diese „heroische Flexibilität“ stieß sogleich auf Widerstand. Nicht etwa von klassischen Reformisten oder der Opposition, sondern aus den Reihen regimetreuer Kräfte, die sich weder mit der radikalen „Pāydārī“-Fraktion noch mit völliger außenpolitischer Isolation identifizieren und einen mittleren Kurs anstreben.
Gleichzeitig hat sich aus dem Innersten der Machtstruktur ein gezielter, wenn auch subtiler Widerstand gegen diesen neuen Kurs formiert. Es handelt sich um ein Lager, das dem System in seinem Kern treu bleibt, jedoch eine Veränderung der Zusammensetzung der Machtelite fordert. Diese Gruppierung ist überzeugt, dass die politische Blockade um den Führungszirkel die Islamische Republik an den Rand des Zusammenbruchs geführt hat.
Vor diesem Hintergrund betrachten diese internen Kräfte die israelischen Angriffe als historische Chance. Eine Gelegenheit, die radikal-konservativen Fraktionen innerhalb der Revolutionsgarde und des Führungsbüros zu schwächen oder zu eliminieren und gleichzeitig jenen Akteuren Legitimität zu verschaffen, die auf einen kontrollierten Übergangsprozess setzen. Wie sich aus den tieferen Dynamiken der aktuellen Entwicklungen erkennen lässt, fungiert der Angriff für diese innerhalb des Systems verankerte Strömung als ein Katalysator für die Neudefinition interner Machtverhältnisse. Und dies in einem Moment, in dem Ayatollah Ali Khamenei erstmals nach fast drei Jahrzehnten direkten Verhandlungen mit den USA zugestimmt hatte.
Zielgerichtete Zerschlagung des sicherheitspolitischen Kommandokerns: Operation als strategische Demontage
Zwischen Ende 2023 und Mitte 2025 führte eine Serie gezielter israelischer Schläge, zunächst in Syrien, dann tief im iranischen Kernland, zur physischen oder operativen Ausschaltung zentraler Akteure des sicherheitspolitischen Apparats rund um das Führungsbüro.
Diese Entwicklung fand in der „Operation Löwe im Morgengrauen“ ihren Höhepunkt. Das Attentat auf Ali Shamkhani, den Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats und Chefunterhändler des iranischen Nuklearprogramms, zeigte unmissverständlich, dass es sich nicht um einen bloßen militärischen Schock handelte, sondern um einen gezielten Schlag gegen das sicherheitspolitische Führungszentrum des Regimes.
Jener Machtzirkel, der bis dahin als Garant für die Fortführung der „Doktrin des regionalen Widerstands“ galt, wurde strategisch ausgeschaltet. Ziel war es, ein strategisches Vakuum in der sicherheits-militärischen Struktur der Islamischen Republik zu erzeugen. Dieses Vakuum lähmt nicht nur die militärische Reaktionsfähigkeit, sondern schafft zugleich Raum für das Entstehen innerstruktureller politischer Alternativen.

Das Projekt der Machtübertragung: Loyalistische Reformkräfte und das Szenario eines kontrollierten Übergangs
In diesem Moment zeichnet sich ein neues Szenario ab. Das Auftreten eines reformorientierten, jedoch systemloyalen Lagers, das weder auf einen Umsturz abzielt noch Teil des sicherheitspolitischen Kerns rund um das religiöse Führungsbüro (Beyt-e Rahbari) ist. Diese Strömung steht weder auf Seiten der klassischen Reformisten noch der exilnahen Opposition. Vielmehr handelt es sich um loyale Akteure innerhalb des Systems, die versuchen, einen Mittelweg zwischen der radikalen „Pāydārī“-Fraktion und der totalen Isolation zu bahnen.
In den Monaten vor den Angriffen profilierte sich diese Gruppierung, indem sie strukturelle Widersprüche innerhalb des Systems hervorhob und sich als legitime Alternative für die Ära nach Khamenei präsentierte. Das Projekt ruht auf drei zentralen Säulen:
- Erstens: die Konstruktion der Dichotomie „Verhandlung oder Widerstand“, mit dem Ziel, Hardliner als Krisenverursacher und Moderate als Stimme der Vernunft zu positionieren.
- Zweitens: die indirekte Anstiftung Israels zur Ausschaltung sicherheitspolitischer Figuren, in der Hoffnung, dass ein moderates Koalitionsmodell nachrücken könne.
- Drittens: die Neuinterpretation der Nachfolgefrage in einer Form, die sowohl für das System als auch für die Gesellschaft akzeptabel erscheint.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen verdichten sich Hinweise auf eine seltene Koalition verschiedener systeminterner Kräfte. Der Machtverlust der „Pāydārī“-Front infolge gezielter Angriffe auf Kommandeure der Revolutionsgarde und die damit verbundene Schwächung ihrer Mobilisierungsfähigkeit hat Raum für ein alternatives Machtzentrum innerhalb des Regimes geschaffen.
Diese Gruppierung verfolgt ein Projekt der „weichen Machtransition“. Die schrittweise Ausschaltung extremistischer Akteure, die Verständigung über die Beibehaltung oder Reform des Systems der Velayat-e Faqih (Herrschaft des Rechtsgelehrten) sowie die Öffnung eines kontrollierten Kanals zur Machterhaltung über moderate Linien hinweg. Ihr Ziel ist es, die Implosion des Systems zu verhindern, nicht dessen Umsturz. Die Frage des „Religiösen Führers“ bleibt dabei der neuralgische Punkt zukünftiger Kompromisse. Ein Teil der Reformkräfte arbeitet seit Langem an diesem „Ausschlusskonzept“, um sich gesellschaftliche Zustimmung zu sichern. Doch das Thema der Nachfolge im höchsten Amt bleibt für alle zentral.
Anstelle eines Regimewechsels bemüht sich diese Strömung um eine Neukonfiguration der Machtarchitektur. Dabei handelt es sich um eine Reaktion auf die interne Schwäche. Getragen von Akteuren, die zwar keine breite öffentliche Legitimation besitzen, aber innerhalb einiger sicherheits- und informationspolitischer Kreise wie auch in bestimmten Bevölkerungsschichten verwurzelt und systemkonform sind. Was diese Strömungen verbindet, ist ihr gemeinsames Ziel. Die Schwächung oder Ausschaltung der radikalen Fraktionen innerhalb des Führungsbüros und der Quds-Brigade, nicht zur Beendigung der Islamischen Republik, sondern zu deren Rettung.
Diese Koalition verfügt bislang über keine formelle Repräsentation, strebt jedoch an, durch ein strategisch gelenktes Machtübergangsmodell die Extremisten zu verdrängen und die institutionelle Kontinuität des Systems zu sichern. Ihr Ansatz zielt weder auf ein Bündnis mit der Opposition noch auf eine kompromisslose Kapitulation, sondern auf eine Neudefinition der Machtverteilung innerhalb des bestehenden Rahmens.
Was diese Gruppierung fundamental von den Regimegegnern unterscheidet, ist ihre Treue zum Systemprinzip. Ihr politisches Ziel ist kein struktureller Bruch, sondern eine graduelle Entfernung der Hardliner, die möglichst weitgehende Bewahrung des Velayat-e Faqih und eine flexible Neujustierung des bestehenden Ordnungsmodells. Nach der Schwächung des Führungsbüros und der Revolutionsgarde sieht sich diese Gruppe als einzigen Rettungsanker für die Islamische Republik.
Die „Operation Rising Lion“ ist daher nicht nur einer der schwersten Schläge gegen die sicherheitspolitische Infrastruktur Irans, sondern auch Auslöser interner Dynamiken. Aus diesen könnte eine neue systemtreue Koalition hervorgehen. Eine Kraft, die inmitten der Krise ein strategisches Projekt zur Fortsetzung der Islamischen Republik entworfen hat.
Dies ist weder eine Revolution noch ein klassischer Staatsstreich, sondern ein schrittweiser Machtübergang von innen heraus. Ziel ist es, Legitimität und Strukturen unter Beibehaltung des Systemkerns neu zu definieren.
Doch bleibt die entscheidende Frage: Kann diese Strömung wirklich als legitimer und tragfähiger Nachfolger des aktuellen Machtzirkels auftreten? Die Antwort ist noch unklar. Was jedoch unbestreitbar ist, ist die spürbare Veränderung des Kräfteverhältnisses innerhalb der Islamischen Republik. Eine Veränderung, die nicht von außen, sondern aus dem Innersten des Systems selbst entsteht. Und dabei ist eines klar. Die Loyalität zum Systemprinzip bleibt der kleinste gemeinsame Nenner aller Akteure. Die einzige Streitfrage ist, welche Gruppe aus dem Inneren heraus das System am besten zu retten vermag.
Warum wird in den Berichten über den Iran niemals über Reza Paolavi der Prinz Berichtet, der mehr als jede andere Person oder Partei die Stimme des Volkes für sich büchen kann?
Wann wird überhaupt in den Berchiten das iranische Volkes unter Lupe genommen?
In unserem Artikel war es unser Ziel, die Leserinnen und Leser für die Taktiken und Strategien der Reformisten innerhalb des islamischen Regimes zu sensibilisieren.
Im anderen Artikel wird zudem ausführlich auf den Einfluss der Kronprinz Reza Pahlavi eingegangen.
Thesen zum Krieg
Wirtschaft und Friedensarchitektur im Iran nach der Ära der Ideologie