„Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Aber die Nachwelt behält sich Korrekturen vor.“
DIE LÜGEN DER SIEGER
Inhaltsverzeichnis
Wie 1967 eine deutsch-iranische Allianz aus Terroristen die Geschichte Irans verfälschte
Im Juni 1967 besuchte der iranische Kaiser Mohammad Reza Schah Pahlavi gemeinsam mit seiner Frau, der Kaiserin Farah Pahlavi, die Bundesrepublik Deutschland. Eine radikale Gruppe militanter iranischer Linker, Mitglieder der Organisation „Konföderation iranischer Studenten“ (CIS/NU) aus Westdeutschland, organisierte gemeinsam mit dem „Sozialistischen Deutschen Studentenbund“ (SDS) im Vorlauf dieses Staatsbesuches massive, landesweite Protestaktionen gegen den Schah von Iran, um ihn in der deutschen Öffentlichkeit zu diskreditieren und als Despoten zu diffamieren.
Für Deutschland war der Staatsbesuch des Schahs von Iran wegen des Mords am Studenten Benno Ohnesorg durch den West-Berliner Polizisten Karl-Heinz Kurras am 2. Juni 1967 und den damit verbundenen Nachwirkungen (wie dem Beginn der 68er-Bewegung und der Gründung der Roten Armee Fraktion, RAF) eine Zäsur.[1] Für die Menschen im Iran symbolisierte dieser Besuch, bei dem der Schah und die Kaiserin sogar ermordet werden sollten, den Beginn einer Kampagne, an deren Ende Irans konstitutionelle Monarchie 1979 durch die Islamische Republik ersetzt wurde, und damit Generationen von Iranerinnen und Iraner ins Unglück stürzte.
Nach Jahrzehnten hat der historische Todesschuss auf Ohnesorg durch den Polizisten Kurras gezeigt, dass Kurras selbst für die Staatssicherheit der DDR tätig war.[2] Dieser Umstand hat zu einer fundamentalen Neubewertung der Motivation für die Anfänge der RAF sowie der 68er Bewegung geführt. Eine ähnliche, historische Neubewertung der Motivation der linken Schah-Gegner bei dessen Besuch in West-Berlin im Juni 1967 ist ebenfalls dringend notwendig.
Ohne eine solche „Korrektur der Nachwelt“ ist die westliche Öffentlichkeit weiterhin dem falschen Narrativ der 68er über Mohammad Reza Schah Pahlavi ausgeliefert, der noch heute als ein Diktator (der der Demokratiebewegung im Iran im Weg gestanden und mit seinen autoritären Methoden oppositionelle Gruppen, die ja bloß mehr Freiheit wollten, behindert habe) verunglimpft wird.[3] Oft waren es solche infamen Lügen, Unwahrheiten und Täuschungen, die die Weltöffentlichkeit gegen den Schah von Iran aufwiegelten und das falsche Bild eines „Tyrannen“ zeichneten, den es zu stürzen oder gar zu töten galt. Aber warum war der Hass auf den Schah von Iran eigentlich so groß?
Eine Neubetrachtung der Akteure von damals und deren wahren Motive führt zu einer fundamental anderen Schlussfolgerung und lässt massive Zweifel an den üblichen Narrativen aufkommen.
Die Hintergründe
Bereits fünf Jahre vor seinem Besuch in Westdeutschland hatte der Schah von Iran seine als „Weiße Revolution“ bezeichneten Reformpläne (1962-1963) erfolgreich umgesetzt. Eines der gewaltigsten gesellschaftlichen und politischen Unterfangen, die jemals im Nahen Osten unternommen wurden.

Den iranischen Frauen wurde erstmals das aktive und passive Wahlrecht in allen politischen Ämtern garantiert. Nur zum Vergleich: die Schweiz führte das Wahlrecht für Frauen erst am 7. Februar 1971 ein, Portugal erst am 15. November 1974. Den iranischen Kleinbauern wurden Parzellen gegeben, damit sie selbst Landbesitzer sein konnten, anstatt sich für Großgrundbesitzer abrackern zu müssen. Und die Fabrikarbeiter erhielten Anteile (Aktien) an den Unternehmen, für die sie arbeiteten. Die Gesellschaft sollte in die Moderne aufbrechen und eine starke Mittelschicht aufbauen.
Bereits 1963 positionierten sich rückwärtsgewandte Kräfte im Iran gegen die vom Schah eingeführte „Weiße Revolution“: die islamistischen Kleriker, angeführt vom damals jungen Ayatollah Ruhollah Khomeini, der in der tief-religiösen Stadt Qom zu einem Aufstand gegen die Reformen und Sturz der Monarchie aufrief. Der Aufstand wurde von Sicherheitsbehörden im Keim erstickt, Khomeini wurde vom Schah verschont und stattdessen ins Exil im Nachbarland Irak verbannt.
Als Reaktion auf die Zerschlagung der von Khomeini angeführten Revolte im Juni 1963 gründeten einige junge iranische Radikale innerhalb von Iran bewaffnete, terroristische Guerillagruppen, die damit begannen, Anschläge zu verüben, mehrfach auf die Person des Schahs selbst. Einige Politiker, darunter sogar ein Premierminister, wurden ermordet.
Diese Guerillas überfielen regelmäßig Banken, legten in Restaurants und Kinos Bomben, versuchten Angehörige der kaiserlichen Familie (wie zum Beispiel den noch nicht volljährigen iranischen Thronfolger Reza Pahlavi) zu entführen, ermordeten ausländische Berater, nahmen zivile Opfer in Kauf, und sorgten damit dafür, dass der Staat mit rigorosen Methoden zurückschlug, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.
Auch bei der iranischen Linken, die sich im Ausland in der „Konföderation iranischer Studenten“ (CIS/NU) organisiert hatte, wurden diese gesellschaftlichen Fortschritte vehement bekämpft. Die iranischen Studenten in der „Konföderation“, deren Vorbilder Pol Pot, Mao oder Josef Stalin waren, befürchteten, dass die Reformen des Schah die Menschen im Iran für immer von ihren marxistischen Ansichten entfremden würden.
Anstatt die Reformen, die das Frauenwahlrecht einführten, zu begrüßen, entschied sich die iranische Linke dafür, sich mit der Gewalt der linksradikalen und islamistischen Terrorbanden (e.g. die marxistisch-leninistische „Organisation der Volksfedayin-Guerilla“/OIPFG bzw. die islamistisch-marxistische „Volksmudschahedin/MEK/PMOI“) zu solidarisieren. Die „Konföderation iranischer Studenten“ (CIS/NU) klatschte in all den Jahren aus dem Ausland diesen Terroristen Beifall, schrieb ihnen Briefe und schwor, sie zu unterstützen.[4]
Anstatt die Fortschritte der Bauern (jetzt Landbesitzer) und Fabrikarbeiter (jetzt Anteilseigner) als Erfolg für die unteren Schichten der Gesellschaft zu feiern, gab die iranische Linke ihr eigenes Kernklientel auf und begann im Ausland mit Propaganda gegen den Schah und die konstitutionelle Monarchie im Iran zu wettern, um dort eine kommunistische Republik zu erschaffen.
Die Propagandisten
Eine der einflussreichsten (deutschen) Akteure für Agitation und Propaganda gegen den Schah war Ulrike Meinhof. Bevor sie ihre Feder niederlegte und zum Schwert griff, kommentierte die Journalistin der linken Zeitschrift „konkret“ und spätere RAF-Terroristin den Staatsbesuch des iranischen Kaisers in einem Filmbeitrag der ARD mit folgenden Worten:
„Als der Schah von Persien in die Bundesrepublik kam, wussten wir erst wenig über den Iran, wenig über unser eigenes Land. Wir dachten, der Schah sei einfach ein schöner Mann mit einer schönen Frau und einer glücklichen Familie aus einem glücklichen Land. So jedenfalls hat es in unseren Zeitungen gestanden. Erst die Studenten mussten kommen und Flugblätter verteilen. Da erst erfuhren wir die Wahrheit über den Schah. Dass er schuldig ist aufrechterhalten zu haben, das Analphabetentum von 80% der Bevölkerung nicht verhindert zu haben, nicht verhindert zu haben, dass jedes zweite Kind stirbt, dass er selbst jährlich 400 Millionen Dollar kassiert und seine Untertanen bei nur 70 Dollar hungern. Aber als die Studenten auf die Straßen gingen, um die Wahrheit über Persien bekannt zu machen, auf die Straße, weil eine andere Öffentlichkeit als die der Straße ihnen nicht zur Verfügung stand, da kam auch die Wahrheit heraus über den Staat, in dem wir selbst leben. Da kam heraus, dass man einen Polizeistaatschef nicht empfangen kann, ohne selbst mit dem Polizeistaat zu sympathisieren. Die Proteste gegen eine Polizeistaatschef entlarvten unseren Staat selbst als Polizeistaat. Polizei- und Presseterror erreichten am 2. Juni in Berlin ihren Höhepunkt [Anspielung auf den Mord am Studenten Benno Ohnesorg].“[5]
Meinhofs Ignoranz im Bezug auf den Iran ist der Schlüssel zu all den Lügen und Täuschungen, denen die deutsche Gesellschaft im Sommer 1967 (aber auch in den Jahrzehnten seither) über den Iran und dessen Monarchen ausgesetzt wurde. Meinhof gesteht, dass sie (und damit meint sie wahrscheinlich eher die Bürgerinnen und Bürger der damaligen Bundesrepublik Deutschland als nur sich selbst), als der Schah nach Berlin kam, kaum etwas über den Iran wusste und erst „die Studenten kommen und Flugblätter verteilen“ mussten.
Doch wer waren diese „Studenten“ überhaupt, denen Ulrike Meinhof ihre gesamte Aufklärung über den Iran zu verdanken glaubte? Laut Jutta Ditfurth, Mitgründerin der Partei Die Grünen und deren Bundesvorsitzende (1984 bis 1988), war die Hauptquelle für Meinhofs Anschuldigungen gegen den Schah von Iran und ihre sozioökonomischen Beschreibungen des Iran im Jahr 1967 der aus dem Iran stammende Student Bahman Nirumand, ein Maoist und einer der Gründungsmitglieder der Schah-feindlichen Studentenorganisation „Konföderation iranischer Studenten“ (CIS/NU).

„Mit dem 30jährigen Bahman Nirumand war Ulrike Meinhof seit kurzem befreundet. Sein Buch war die Quelle für ihren „offenen Brief“ [an die iranische Kaiserin Farah Pahlavi].“[6]
Dass Meinhofs Vorstellung von und ihre Darstellung des Iran maßgeblich durch Nirumand beeinflusst worden war, bestätigte sie selbst auch in ihrem (kurz vor dem Staatsbesuch des iranischen Monarchenpaar veröffentlichen) „offenen Brief“ an die iranische Kaiserin Farah Pahlavi:
„Sie möchten mehr über Persien wissen? In Hamburg ist kürzlich ein Buch erschienen, von einem Landsmann von Ihnen, der sich wie Sie für deutsche Wissenschaft und Kultur interessiert, wie Sie Kant, Hegel, die Brüder Grimm und die Brüder Mann gelesen hat: Bahman Nirumand: »Persien, Modell eines Entwicklungslandes oder die Diktatur der Freien Welt«, mit einem Nachwort von Hans Magnus Enzensberger, rororo-aktuell Band 945, März 1967. Ihm sind die Fakten und Zitate entnommen, mit denen wir Sie oberflächlich bekanntgemacht haben. Ich weiß nicht, ob es Menschen gibt, die nach der Lektüre dieses Buches noch nachts gut schlafen können, ohne sich zu schämen.“[7]
Auch mit Rudi Dutschke, dem Chefideologen des „Sozialistischen Deutschen Studentenbund“ (SDS), war Meinhof befreundet. Durch ihre Aktivitäten wurden sie politische Verbündete, sodass für Meinhof Dutschke „ihr Bruder im Geiste, bald ihr bester Freund“[8] war. Nirumand wiederum schrieb in seinem Buch »Leben mit den Deutschen« von seiner eigenen Beziehung zu Rudi Dutschke:
„Rudi Dutschke und ich waren miteinander eng befreundet. Er war ein wunderbarer Mensch. Ich habe in meinem Leben selten einen Menschen kennengelernt, der so scharfsinnig, so intelligent und gleichzeitig so weich und einfühlsam war.“[9]
Kurz vor dem kaiserlichen Besuch in Westberlin im Juni 1967 zeigten sich die deutschen Behörden alarmiert, dass ein Attentat auf das Leben des Schah von Iran drohte. Laut Ditfurth brachte dies aber „Dutschke, einige Freunde vom SDS und von der Konföderation iranischer Studenten [i.e. Nirumand] auf eine satirische Idee: In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai klebten sie in der ganzen Stadt Steckbriefe des Schahs, gesucht wegen Folter und Mord von Hunderten Oppositionellen und Journalisten sowie wegen Ausplünderung seines eigenes Landes zum eigenen Vorteil“[10] und kamen in einem Artikel sogar zu dem Schluss, dass ein Attentat auf den Schah von Iran verständlich sei.[11]
Nirumand gelang es durch seine Freundschaft zu Dutschke und Meinhof, deren politisches Weltbild über den Iran maßgeblich zu beeinflussen und half damit, in der deutschen Öffentlichkeit ein vergiftetes Klima gegen den iranischen Monarchen zu kreieren, das allerdings aus einem Kartenhaus aus Lügen, Halbwahrheiten und kaum belegbaren Behauptungen bestand.
Die Lügen
Nirumands Buch »Persien, Modell eines Entwicklungslandes oder die Diktatur der Freien Welt«, das Meinhof als Hauptgrundlage ihres Wissens für ihre Belehrung der iranischen Kaiserin über den Iran heranzog, enthielt vornehmlich veraltete Fakten, die den Wandel des Irans seit 1962/63 kaum oder gar nicht berücksichtigten. Was Meinhof und Dutschke so bereitwillig von Nirumand übernahmen, stieß damals beim Hamburger Magazin DER SPIEGEL auf Kritik.
In seiner Titelgeschichte „Sieben Nächte Jubel“ schilderte DER SPIEGEL den wirtschaftlichen Fortschritt Irans und dessen gesellschaftlichen Wandel der vergangenen Jahre seit der „Weißen Revolution“ des Schah (1962/1963) im Iran:
„Tatsächlich hat sich das Bruttosozialprodukt der Perser innerhalb von zehn Jahren verdoppelt; seit 1959/60 stiegen die Lebenshaltungskosten um 15 Prozent (Bundesrepublik: 21,1 Prozent); einen Schwarzen Markt für Dollars gibt es seit langem nicht mehr, denn in den Tresoren der iranischen Zentralbank liegen Devisen und Gold in Höhe von 277 Millionen Dollar — genug, um damit die iranischen Importe für drei Monate zu bezahlen. […] Aus dem Öl-Geschäft fließen jährlich 2,84 Milliarden Mark in den iranischen Haushalt — und 75 Prozent dieses Geldes steckt der Kaiser in sein Reformprogramm. Die Zahl der Traktoren stieg von weniger als 5.000 vor der Landreform auf 21.000 im Jahre 1965 und soll bis 1970 auf 56.000 klettern.“[…] Um gegen den Analphabetismus zu kämpfen, ließ der Schah eine „sogenannte »Armee des Wissens« [gründen], junge Stadt-Soldaten mit Schulabschluss, die nach dem Grundwehrdienst in vier Monaten zu Lehrern […] ausgebildet werden. In 11.133 Schulen unterrichteten 11.795 Armee-Lehrer allein im Schuljahr 1965/66 fast 366.000 Kinder und über 141.000 Erwachsene. Erfolg: Innerhalb von vier Jahren sank die Analphabetenquote im Iran um etwa zehn Prozent.“[12]

DER SPIEGEL beschrieb auch die Veränderungen im Gesundheitsbereich:
„Mit den uniformierten Lehrern kommen die uniformierten Mediziner. 3.493 Soldaten von der »Armee der Gesundheit« wurden seit 1965 mit 465 Wagen über Land geschickt. Jede Gruppe — ein Arzt, drei Sepahis (Sanitätssoldaten), ein Fahrer — betreut 30 bis 40 Dörfer mit 20.000 bis 30.000 Menschen. Wo früher nie ein Arzt erschien, werden heute Medikamente verteilt, Zähne gezogen und Kinder geimpft. Vom Januar 1965 bis zum Juni 1966 nahmen die Sanitäts-Soldaten 3.156.342 Impfungen vor, bauten 44.581 WCs und 105 Leichenhäuser.“[13]
Auch die Frauen waren laut dem Magazin gesellschaftlich auf dem Vormarsch:
„Während die Soldaten durch die Provinz ziehen, wird die Armee mit Frauen aufgefüllt. Im Stechschritt und mit züchtig langem Rock paradierten im Vorjahr die ersten persischen Blitzmädchen — Elektronik-Helferinnen der Luftwaffe. Früher galten die Frauen im Iran als »Tiere mit mehr Haar als Gehirn«, heute sitzen in drei Ministerien weibliche Staatssekretäre, im Parlament sechs weibliche Abgeordnete.[…] Längst hat in den Städten — und oft genug auch auf dem Lande — europäische Kleidung den Schleier verdrängt; unter dem »chador« verbirgt sich nicht selten ein Minirock. In Teheran sind 47 Prozent der Volksschüler Mädchen, auf dem Lande immerhin bereits 19,4 Prozent.“[14]
Auch sonst waren Nirumands Behauptungen dem Hamburger Magazin zu bunt:
„Wirtschaftlich könnte der Iran mithin durchaus als »Modell eines Entwicklungslandes« gelten wenn auch in anderem Sinne, als es der Kurzzeit-Perser Bahman Nirumand in seinem Buch darstellt, das unmittelbar vor den Schah-Krawallen in Deutschland erschien. Dieser Nirumand, der als Erwachsener nur drei Jahre im Iran verbrachte, beeinflusste mit seinem Büchlein das verzerrte deutsche Persien-Bild von heute. Seit Nirumands Buch und dem Krawall-Tod des Berliner Studenten Benno Ohnesorg sehen die Deutschen im Schah nur noch einen Potentaten aus dem Morgenland, der sich dem Ausland gnädigst zeigt, dafür Entwicklungshilfe kassiert und dann persönlichen Luxus treibt.“[15]
In einem zusätzlichen Artikel kritisierte DER SPIEGEL dann nicht nur Nirumands Bild, das er den Deutschen vom Iran der 1960er Jahre zeichnete, sondern ging auch mit einem ausführlichen „Faktencheck“ auf die von ihm in seinem „Büchlein“ aufgestellten Behauptungen ein:
„Nirumands Buch erschien im März 1967. Das Reformprogramm des Schahs begann im Januar 1963. Nirumand vermittelt dennoch das Bild eines Steinzeit-Persien: Seine Zahlenangaben stammen fast ausschließlich aus der Zeit vor 1962.“[16]
Um einzelne Un- und Halbwahrheiten von Nirumand detailliert zu entkräften, stellte DER SPIEGEL schließlich sogar einen Extra-Info-Kasten auf. Hier eine Auswahl zur Illustration:[17]
Nirumands Behauptung: | SPIEGEL Fakt: |
„Nirumand: Die Direktoren der iranischen Privatbanken sind »Ausländer, die die gesamte Privatwirtschaft kontrollieren«.“ | „SPIEGEL: Nirumand verwechselt Privatbanken mit »gemischten Banken«, die zwar auch ausländische Direktoren, in jedem Fall aber einen persischen Generaldirektor haben. Den sechs gemischten Banken — mit meist 49 Prozent Auslandsbeteiligung — stehen sieben rein iranische Privatbanken und elf rein iranische Regierungsbanken gegenüber, von denen keine einen ausländischen Direktor hat.“ |
„Nirumand: 1950 betrug der Verkaufspreis für Öl fünf Pfund Sterling je Tonne, in Persien wurden 31,75 Millionen Tonnen gefördert. In jenem Jahr erzielten die [ausländischen] Ölgesellschaften einen Reingewinn von 180 bis 200 Millionen Pfund.“ | „SPIEGEL: Bei einem Verkaufspreis von fünf Pfund je Tonne und einer Förderung von 31,75 Millionen Tonnen ergab sich ein Gesamtverkaufserlös von 158,75 Millionen Pfund — 30 bis 40 Millionen Pfund weniger, als Nirumand als Reingewinn ausweist.“ |
„Nirumand: Auf dem Campus der Universität von Teheran »sind Unterhaltungen zwischen mehr als drei Studenten untersagt. Zuwiderhandelnde Gruppen werden gegebenenfalls mit Gewalt zerstreut«.“ | „SPIEGEL: Im Mai dieses Jahres veranstalteten Hunderte von Studenten der Teheraner Universität ein wochenlanges Sit-in und demonstrierten gegen höhere Semestergebühren und schwere Examensbedingungen.“ |
„Nirumand: Bei der Bodenreform des Schahs sank der Privatbesitz »um ganze neun Prozent«.“ | „SPIEGEL: Diese Angabe stammt aus dem Februar 1964. Die erste Phase der Bodenreform wurde jedoch erst im September 1966 abgeschlossen. Bis dahin waren 18 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche an 22 Prozent der Landbevölkerung aufgeteilt.“ |
Das renommierte Nachrichtenmagazin hatte damit einen der Drahtzieher der Anti-Schah-Proteste als unglaubwürdigen Botschafter der Realitäten seines Landes entlarvt. Das konnte Nirumand natürlich nicht auf sich sitzen lassen und forderte einige Woche später in einem Leserbrief eine Gegendarstellung.
DER SPIEGEL widerlegte daraufhin Nirumands Leserbrief in jedem einzelnen Punkt und resümierte: „[E]rst Nirumands Gegendarstellung bewies von neuem, wie großzügig er mit Zahlen umgeht“[18] und stellt weiter klar: „Nirumands Buch wird nicht dadurch aktueller, daß er deutsche und gelegentlich auch ausländische Zeitungen aus den Jahren nach 1963 zitiert, solange er sich nicht mit den Gegebenheiten in Persien nach 1963 auseinandersetzt.“[19]
Dennoch war Nirumands Buch einer der Hauptgründe, weshalb die deutsche Öffentlichkeit in die Irre geführt werden konnte und ihr die sozialen und wirtschaftlichen Fortschritte, die die iranische Gesellschaft zwischen 1963 und 1967 gemacht hatte, weitgehend verborgen blieben. Bis heute wirken Nirumands falsche Fakten über Irans damalige Entwicklung und Mohammad Reza Schah Pahlavi im allgemeinen in weiten Teilen der deutschen Medien nach.
Nirumands Trickserei mit Zahlen und Fakten konnten kein Zufall gewesen sein. Selbst die im August 1967 erschienene 4. Taschenbuchausgabe seines Buches enthielt für die „Politische Geschichte des Iran seit 1900 in Stichworten“ für 1964 und 1965 jeweils nur einen einzigen Eintrag:
- „1964: Mansur Ministerpräsident. Kapitulationsrechte (Sonderrechtsstellung) für amerikanische Berater“
- „1965: Howeida Ministerpräsident.“[20]
Dass der iranische Ministerpräsident Hassan Ali Mansur am 21 Januar 1965 von der islamistischen Terrorgruppe „Fada’iyan-e Islam“ nur „wenige Tage vor dem 2. Jahrestag der „Weißen Revolution“ ermordet“[21] wurde (und damit vom Schah ein neuer Ministerpräsident ernannt werden musste) schien wohl als Ereignis für Nirumand nicht wichtig oder erwähnenswert genug gewesen zu sein.
Und selbst da, wo Nirumand bis 1963 einzelne Ereignisse mit mehr Akribie und Enthusiasmus in seiner Chronologie „Politische Geschichte des Iran seit 1900 in Stichworten“ aufführte, erwähnte er nicht, dass durch das Referendum der „Weißen Revolution“, iranische Frauen erstmals das aktive und passive Wahlrecht erlangten. War dieser Meilenstein nicht Teil der politischen Geschichte Irans?
Die Weltrevolution
Dass Nirumand seinen deutschen Leserinnen und Lesern so beharrlich die Tatsachen über den Iran verheimlichte und stattdessen einflussreiche deutsche Medienfiguren wie Ulrike Meinhof oder linke Aktivisten wie Rudi Dutschke mit seinen Halbwahrheiten und falschen Fakten gegen den iranischen Monarchen mobilisierte, lag daran, dass er von einem Iran träumte, der so werden sollte wie das maoistische China. Über diese Zeit schrieb Nirumand in seiner 2011 erschienen Biografie:
„Ohne Bedenken demonstrierten wir auf dem Berliner Kurfürstendamm und riefen aus voller Überzeugung »ein, zwei, drei Vietnams» oder ließen nicht nur Marx, sondern auch Lenin, Stalin und Mao Zedong hochleben.“[22]
Nirumand hatte sich bereits vom 15. bis 18. April 1960[23] mit weiteren Gleichgesinnten zur Gründung der „Konföderation“ in Heidelberg getroffen.[24] Nach den Anfangsjahren radikalisierte sich die Führungsriege mit dem Beginn der Umsetzung der „Weißen Revolution“ durch Mohammad Reza Schah Pahlavi im Iran. Als am 10. April 1965 sogar im kaiserlichen Palast ein Attentat auf Mohammad Reza Schah Pahlavi vereitelt wurde, waren es Mitglieder der „Konföderation“ selbst, die den Anschlagversuch verübt hatten, danach verhaftet und vor Gericht verurteilt wurden.[25]
Schon damals galt die „Konföderation“ als ideologisch unterwandert von in der DDR lebenden iranischen Exilanten, die der stalinistischen „Tudeh Partei des Iran“ angehörten und mit Hilfe der SED-Regierung – ausgestattet mit Diplomatenpässen – in der BRD ein- und ausgingen.[26]
Nach dem gescheiterten Anschlag auf den Schah verfolgten die Führung und die Mitglieder der „Konföderation“ ihre Ziele mit noch mehr Vehemenz. So schickte die „Konföderation“ im Juni 1966 eine Delegation in den Irak zum jungen radikal-islamistischen Kleriker Khomeini, der dort im Exil lebte, und machte sich mit ihm gemein, allein mit dem Ziel, die konstitutionelle Monarchie im Iran zu stürzen und eine neue Republik nach marxistisch-leninistischem Vorbild zu gründen.

Über das Treffen mit Khomeini in der irakischen Stadt Najaf hieß es im Bericht der Führungsriege der „Konföderation“ an die Mitglieder der mittlerweile global agierenden Studentenorganisation:
„Ayatollah Khomeinis Gespräche mit dem Sekretär des Weltbundes [der „Konföderation“] fanden am 25. Juni [1966] in Najaf [Irak] über die künftige Zusammenarbeit des Geistlichen mit den Studenten [der „Konföderation“] statt, und Ayatollah Khomeini äußerte seine Zustimmung über die Bereitschaft der Konföderation zur Zusammenarbeit und Kontaktaufnahme mit den islamischen Religionsschulen von Qom und anderen religiösen Einrichtungen im Iran. Im Auftrag des Sekretärs der Konföderation wurden dem Ayatollah die notwendigen Informationen über die Konföderation und ihre Aktivitäten in verschiedenen Bereichen übermittelt. Ayatollah Khomeini drückte zwar sein Bedauern über den Zustand seines Heimatlandes und die Unterdrückung und Plünderung aller Klassen aus, verwies jedoch auf die Inhaftierung vieler Patrioten und sagte, dass diese Kämpfe fortgesetzt werden sollten und die ganze Nation daran teilnehmen sollte. Anschließend wandte sich Ayatollah Khomeini, Oberhaupt aller Muslime der Welt, via Herrn Masali, Sekretär der Konföderation und sprach die iranischen Studenten [der Konföderation] direkt an: Die Studierenden sollten ihren Kampf vereint fortsetzen und dürfen das unterdrückte Volk im Iran und das, was mit ihm geschieht, nicht vergessen. Die Zukunft des Landes ist der Jugend anvertraut und sie sollte es nicht versäumen, sie zu schützen. Auf diese Weise sind wir Geistlichen bei Ihnen und arbeiten mit Ihnen auf der Grundlage der Regeln des Islam zusammen.“[27]
Trotzdem ließ sich Nirumand beim sechsten Kongress der „Konföderation iranischer Studenten“ (CIS/NU) in Frankfurt im Januar 1967, ein halbes Jahr nach dem Treffen der „Konföderation“ mit Khomeini, in das fünfköpfige Führungsgremium der Organisation wählen.[28] Für Nirumand war die „unheilvolle Allianz“ aus linksradikalen Kommunisten und rückwärtsgewandten Islamisten, wie sie einst Mohammad Reza Schah Pahlavi getauft hatte, offenbar ein akzeptabler politischer Kurs.
Die iranischen Studenten in der „Konföderation“ stilisierten Khomeini und die terroristischen Guerillagruppen, die gemordet und gebombt hatten und daher als Terroristen verfolgt wurden, zu Helden des Widerstands für Freiheit und Demokratie. Diese Mär von „freiheitsliebenden Demokraten“ im Kampf gegen die „Diktatur des Schahs“ wird auch heute von iranischen und deutschen Linken propagiert und von deutschen Medien als Fakt akzeptiert. Doch diese Radikalen wollten Freiheit und Demokratie auf die gleiche Weise wie die ETA, die RAF oder die Hamas.
Am Abend des 1. Juni 1967, dem Vorabend des Staatsbesuchs des iranischen Kaisers in Westberlin, fand im Auditorium Maximum der Freien Universität (FU) eine Veranstaltung statt. Zweitausend Menschen hatten sich versammelt, um unter anderem Rudi Dutschkes Ausführungen beizuwohnen, der Parallelen zwischen Vietnam und Iran herstellte.[29]
Ein weiterer Redner war Bahman Nirumand, der „Fakten“ aus seinem Buch »Persien, Modell eines Entwicklungslandes oder die Diktatur der Freien Welt« vortrug und so die Menge gegen den Schah aufwiegelte.[30]
Der Mordversuch
Beim Staatsbesuch des Schah von Iran in Westberlin sollte der Monarch eigentlich ermordet werden. In seiner 2011 erschienenen Biografie gesteht Nirumand, 1967 über den bevorstehenden Anschlag auf das iranische Kaiserpaar vorab informiert gewesen zu sein:
„In den letzten Tagen vor der Schah-Visite wurde die Brisanz des Schah-Besuchs immer deutlicher. Nun schloss sich auch die SDS-Führung [i.e. Dutschke] an. Die CIS/NU [„Konföderation iranischer Studenten“] übernahm die Leitung der Protestaktionen. Es wurde beschlossen, den Schah auf Schritt und Tritt zu begleiten. In den Großstädten Deutschlands bereiteten wir Demonstrationen und Kundgebungen vor. Berlin sollte den Höhepunkt bilden. […] Überall schossen Gerüchte ins Kraut, wie etwa ein Anruf des mir bekannten Leiters der Alexander von Humboldt-Stiftung belegen kann. Etwas verlegen berichtete er mir, das Auswärtige Amt in Bonn habe ihn beauftragt, bei mir nachzufragen, ob wir ein Attentat auf den Schah geplant hätten! Ich musste schallend lachen. Glaubte er wirklich, ich hätte ihm davon erzählt, wenn es so gewesen wäre?!“[31]
Nach diesem umständlichen Pseudodementi räumt Nirumand dann tatsächlich ein:
„Allerdings war tatsächlich ein Attentat geplant gewesen. Ein hochbegabter Iraner, der sich in Berlin aufhielt, hatte ein kleines, mit Batterien betriebenes Gefährt konstruiert. Es sollte mit Sprengstoff beladen auf das Auto zugesteuert werden, in dem der Schah und die Kaiserin vorbeifuhren. Der Plan war ausgeklügelt, es konnte eigentlich nichts schiefgehen.“[32]
In seinem Buch »Die blinden Flecken der 68er-Bewegung« trägt Wolfgang Kraushaar die Details des gescheiterten Mordanschlags auf das iranischen Kaiserpaar in Westberlin minutiös zusammen:
„Der Konvoi des Schahs bricht um 10.20 Uhr vom „Hilton“-Hotel aus in Richtung Flughafen auf. Nur wenige Minuten später – es soll 10.35 Uhr sein – startet in der im Bezirk Tempelhof gelegenen Dudenstraße ein führerloser Pkw zu einer geisterhaft anmutenden Irrfahrt. Der graue, etwas heruntergekommene VW Käfer mit dem amtlichen Kennzeichen B-LZ 328 ist mit einer Fernsteuerung ausgestattet. Es setzt sich in Richtung des ganz in der Nähe gelegenen Flughafens Tempelhof in Bewegung, kommt aber nicht so weit wie offenbar beabsichtigt. An der Ecke Loewenhardtdamm dreht sich der Wagen zunächst einmal im Kreis, bevor er einen anderen in der Nähe parkenden Pkw rammt und zum Stehen kommt. Die Vorausabteilung des Schah-Konvois soll zu diesem Zeitpunkt die Stelle bereits passiert haben. Der Schah selbst, seine Gattin Farah Diba und deren Begleitung scheinen von dem Vorfall nichts zu bemerken.“[33]
Dass der Plan, den Schah und die Kaiserin des Iran am 3. Juni 1967 in Westberlin mit einer ferngesteuerten Bombe zu ermorden, doch noch schief ging, war allein der Tatsache geschuldet, dass (laut Wolfgang Kraushaar) Nirumand und seine Freunde von der „Konföderation“ beim Attentatsversuch auf den Schah und die Kaiserin vermutlich einem infiltrierten Geheimagenten des iranischen Geheimdienstes auf den Leim gegangen waren.
Im Sommer 2023 bestätigte der damalige Chef der Inlandsabteilung des iranischen Geheimdienstes SAVAK, Parviz Sabeti, im Rahmen einer fünfteiligen Dokumentation für ManotoTV, dass eine Gruppe von radikalen Verschwörern tatsächlich im Juni 1967 ein Attentat auf den Schah bei seinem Berlin-Besuch plante, doch sich der Konstrukteur ihrer Bombe als SAVAK-Agent herausstellte.[34]
Die Terroristen
In Deutschland radikalisierten sich Teile der linken Studentenbewegung nach dem Schah-Besuch. Auf dem Kongress des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) am 5. September 1967 wurde „erstmals die Idee vom „städtischen Guerillero“ artikuliert.“[35]
Während im Iran bereits der islamistisch-kommunistische Terror der städtischen Guerilleros tobte, suchte Ulrike Meinhof die Nähe zu Gudrun Ensslin und Andreas Baader, die gemeinsam die Führung der 1. Generation der terroristischen Roten-Armee-Fraktion (RAF) bildeten. Stefan Aust beschreibt die Aktivitäten der Baader-Meinhof-Gruppe in seinem Buch »Der Baader Meinhof Komplex«, an denen die seit 1969 untergetauchte Meinhof direkt oder indirekt beteiligt war:
„Von Mai 1970 bis Januar 1971 waren dies: die Baader-Befreiung, Banküberfälle in Berlin und Kassel, Einbrüche in Paßämter, Autodiebstähle und das betrügerische Anmieten von Leihwagen.“[36]
Nur ein Jahr später sollten Meinhof und die RAF noch viel weiter gehen:
„Im Mai [1972] kam es im Laufe von nur 13 Tagen zu sechs Bombenanschlägen. Sie gingen alle auf das Konto einer terroristischen Gruppe, die zwar nie mehr als ein paar Handvoll Mitglieder hatte, sich aber großspurig „Rote Armee Fraktion“ (RAF) nannte. Bei den Attentaten kamen zwar durch Zufall „nur“ vier Menschen ums Leben, leicht hätten es aber auch dutzende oder noch viel mehr sein können. Der vorletzte der sechs Anschläge, denen die RAF den Namen „Mai-Offensive“ gab, galt dem Axel Springer Verlag in Hamburg. […] Es war das einzige Attentat der RAF, das auf die Software, auf den Prozess der Meinungsbildung zielte. Und zynischer Weise auch das einzige, bei dem der Tod vieler einfacher Arbeiter und Angestellter in Kauf genommen wurde. […] Der Angriff auf den Axel Springer Verlag in Hamburg war der einzige Anschlag der RAF, der sich direkt gegen ein Pressehaus richtete. Und er war der einzige, für den ein RAF-Mitglied verantwortlich war, das selbst eine lange journalistische Berufserfahrung hinter sich hatte: Ulrike Meinhof.“[37]
Das Bekennerschreiben für den Anschlag auf den Axel Springer Verlag endet mit den Worten:
„Wir werden unsere Aktionen gegen die Feinde des Volkes erst einstellen, wenn unsere Forderungen erfüllt sind. Enteignet Springer! Enteignet die Feinde des Volkes. Kommando 2. Juni.“[38]
Übrigens: Ähnlich akribisch wie die Bundesbehörden unter der Führung von Bundeskanzler Helmut Schmidt während des Deutschen Herbstes auf den Terror der RAF reagierten, verfolgten in den Jahren zwischen 1965 und 1975 auch die iranischen Sicherheitsbehörden (darunter der SAVAK) die linksradikalen und islamistischen Terroristen und zerschlugen diese bewaffneten Guerillagruppen.
Auch Nirumand war bereit, für seine marxistisch-maoistischen Überzeugen, genau wie seine einstige ideologische Weggefährtin Ulrike Meinhof, Gewalt einzusetzen. Nirumand schildert, wie er im März 1968 gemeinsam mit Dutschke einen Terrorakt auf deutschen Boden durchführen wollte:
„Rudi [Dutschke] und ich diskutierten oft über theoretische Fragen, geplante Aktionen, auch über die Gewalt, ihre Anwendung in den Ländern der Dritten Welt und den Metropolen. Übereinstimmend stellten wir damals fest, dass sich die unterdrückten Völker der Dritten Welt nur durch Waffengewalt befreien könnten, in den Metropolen hingegen seien nur »symbolische Aktionen«, »Gewalt gegen Sachen« erlaubt. Dazu gehörte auch ein Anschlag, den wir auf den amerikanischen Sender AFN in Saarbrücken planten.“[39]
Nirumand erwähnte dann beiläufig, wer in welchem Maße in den Vorbereitungen für den Anschlag verwickelt war. Dabei blieb er bei einigen Personen vage und war immer noch nicht bereit, die Identitäten all seiner Mitstreiter preiszugeben:
„Ein in Saarbrücken ansässiger Freund und Genosse wurde gebeten, die nötigen Vorbereitungen zu treffen, wir sollten aus Berlin den Sprengstoff mitbringen. Das war für uns kein Problem. Peter Urbach, S-Bahn Peter genannt (der sich später als eingeschleuster Spitzel des Verfassungsschutzes entpuppte), besorgte uns eine kleine Bombe. Rudi, ein gemeinsamer Freund und ich machten uns auf den Weg.“[40]
Ausführlich stellte Nirumand dann dar, wie es dazu kam, dass er und sein Freund Dutschke ihre Bombe von Berlin nach Frankfurt transportierten und was dort geschah:
„Damals gab es auf den Flughäfen keine Gepäckkontrollen. Wir gaben unseren Koffer mit der Bombe darin bei der Gepäckabfertigung ab und stiegen recht vergnügt ins Flugzeug. Am Frankfurter Flughafen holten wir den Koffer ab, gingen zur Schalterhalle, um uns einen Wagen zu leihen. Auf dem Weg dahin hielten uns zwei Polizisten an, fragten uns, was wir vorhätten. Rudi zeigte sich verärgert, protestierte heftig gegen die unerlaubte Kontrolle. Es gebe in der Bundesrepublik keinerlei Einschränkungen der Reisefreiheit. Die Polizisten ließen sich nicht einschüchtern, und da wir jede Auskunft verweigerten, forderten sie uns auf, mit ihnen in die Stadt zum Polizeipräsidium zu fahren.“[41]
Schließlich erläuterte Nirumand dann, wie es dazu kam, dass ihr Bombenschlag scheiterte:
„Mit einer Bombe im Koffer zum Polizeipräsidium, das hätte für uns schlimme Folgen haben können. Rein zufällig waren wir in eine Falle geraten. »Nun gut, wenn es sein muss, gehen wir eben mit«, sagte Rudi, »aber den Koffer brauchen wir wohl nicht mitschleppen.« Wir stellen ihn in ein Schließfach.“[42]
So brachten Nirumand und Dutschke das Leben von Dutzenden von Passagieren im Flugzeug und Hunderten von Menschen am Flughafen Frankfurt mit ihrer Kofferbombe in Gefahr und, obwohl sie vorgaben, in den Metropolen sei nur „Gewalt gegen Sachen erlaubt“, zeigten sie beim Transport und Verstauen ihres Koffers keinerlei Skrupel, ihre Kofferbombe unter unschuldigen Menschen zu hantieren. Stattdessen stiegen sie „recht vergnügt ins Flugzeug“ und hatten mehr Glück als Verstand, dass ihre Bombe nicht beim Transport explodierte. Sonst würden die Geschichtsbücher heute wohl von Nirumand, Dutschke und Meinhof in einem Atemzug als Terroristen sprechen.
Nirumand scheint seitdem seine Beteiligung am Anschlagversuch in Saarbrücken zu „bedauern“.[43] Dennoch: der Umstand, dass die beiden Attentate auf den Schah von Iran (sowohl am 10. April 1965 durch Mitglieder der „Konföderation iranischer Studenten“, als auch am 3. Juni 1967 in Westberlin mit dem Wissen von Nirumand als einer der Führungsmitglieder der „Konföderation“) scheiterten, sollten nicht zu der naiven Schlussfolgerung verführen, dass die Beteiligten und Mitwisser dieser Attentatsversuche keine Terroristen waren. Ein Bankräuber, der eine Bank überfällt und den Tresor leer vorfindet, ist trotzdem ein Bankräuber.
Die Nachwelt
Am 11. April 1968 fiel Dutschke einem Terroranschlag zum Opfer, bei dem er lebensgefährlich verletzt wurde und von dem er sich bis zu seinem Tod ein Jahrzehnt später nie mehr vollständig erholen sollte. Ein Monat nach dem Anschlag auf den Springer Verlag im Mai 1972 wurde Meinhof verhaftet. Vier Jahre später beging sie im Gefängnis Selbstmord.
Meinhof, Dutschke und vor allem Nirumand, der hier exemplarisch für eine große Gruppe von in Europa und den USA an Universitäten radikalisieren iranischen Studenten steht, haben mit ihren Halbwahrheiten, Unwahrheiten und Lügen über Mohammad Reza Schah Pahlavi und seine Politik im Iran die deutsche Öffentlichkeit hinters Licht geführt.
Dabei haben sie den iranischen Monarchen Mohammad Reza Schah Pahlavi als Tyrannen diffamiert und so seine Ermordung zu rechtfertigen versucht. Im Magazin DER SPIEGEL schrieb Rudi Dutschke über ein Jahr nach dem Staatsbesuch des Schah von Iran:
„Denkt nur an die Zerschlagungstaktik gegen den Vertreter des persischen Volkes Bahman Nirumand, als er und wir den Beherrscher der persischen Massen, den Schah, »bekämpften«. Ihn hätten wir erschießen müssen, das wäre unsere menschliche und revolutionäre Pflicht als Vertreter der »Neuen Internationale« gewesen. Kaum war einer von uns, einer des neuen Typus menschlichen Verhaltens, Benno Ohnesorg, erschossen worden, erschien im SPIEGEL das schöne, »vom Schah entwickelte« Persien.“[44]
Nirumand hat, gemeinsam mit Meinhof, Dutschke und vielen anderen in Deutschland, für ein Klima der massiven Ablehnung gegenüber einer sich im Aufbruch zu mehr Teilhabe, Wohlstand und Freiheit befindenden Gesellschaft auf dem Wege in die Moderne gesorgt, die stattdessen 1979 ins Unglück der Islamischen Republik stürzte. So haben sie am Ende mit ihren Lügen gesiegt. Den Deutschen bleibt nur ein verzerrtes und einseitig falsches Bild von Mohammad Reza Schah Pahlavi. Heute sind die verbliebenen linksradikalen „Freiheitskämpfer“ von einst alt geworden und ergraut. Trotz ihrer massiven Lügen werden sie (und ihre geistigen Kinder und Enkelgenerationen) weiterhin als Iran-Experten in TV-Runden und von Thinktanks auf Podiumsdiskussionen eingeladen. Nur eine Handvoll von ihnen bedauern aufrichtig, dass sie damals gegen die konstitutionelle Monarchie und Irans Modernisierung Lügen verbreitet und sich auf die Seite eines Monsters wie Khomeini gestellt haben. Oder gar selbst zu den Waffen gegriffen haben. Was sie aber eigentlich bedauern ist, dass sie nicht selbst nach der Islamischen Revolution 1979 an die Macht kamen und den Mullahs unterlegen waren. Ihr Hass auf den Schah war (und bleibt) größer als ihre Liebe zum Iran.
[1] Der Fall Kurras – DER SPIEGEL
(https://www.spiegel.de/geschichte/der-fall-kurras-a-948306.html)
[2] Ein Zufallsfund? | Deutschland Archiv | bpb.de
(https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/139632/ein-zufallsfund)
[3] Ein iranisches Schicksalsjahr | 1953 | bpb.de
(https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/1953-2023/520826/ein-iranisches-schicksalsjahr)
[4] نامه کنفدراسیون دانشجویان ایرانی خارج از کشور به چهارده تن متهمین کاخ مرمر در توطئه سوءقصد به جان شاهنشاه – کنگره پنجم دی ۱۳۴۴ – مشروطه
(https://www.mashruteh.org/wiki/index.php?title=نامه_کنفدراسیون_دانشجویان_ایرانی_خارج_از_کشور_به_چهارده_تن_متهمین_کاخ_مرمر_در_توطئه_سوءقصد_به_جان_شاهنشاه_-_کنگره_پنجم_دی_۱۳۴۴)
[5] Proteste gegen den Schah-Besuch in Berlin – kommentiert von Ulrike Meinhof | 2.6.1967 – SWR Kultur
(https://www.swr.de/swrkultur/wissen/archivradio/proteste-gegen-den-schah-besuch-kommentiert-von-ulrike-meinhof-100.html)
[6] Jutta Ditfurth: Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof. Hamburg 2018, S. 46
[7] Ulrike Meinhof – Offener Brief an Farah Diba (Konkret – Juni 1967)
(https://socialhistoryportal.org/sites/default/files/raf/0019670602_0.pdf)
[8] Ebd. (S. 49)
[9] Bahman Nirumand: Leben mit den Deutschen. Rowohlt, Reinbek 1989, S. 111
[10] Ebd. (S. 55)
[11] Ebd. (S. 55) sowie socialhistoryportal.org/sites/default/files/raf/0019670500.pdf
[12] Sieben Nächte Jubel – DER SPIEGEL (22.10.1967, DER SPIEGEL 44/1967)
(https://www.spiegel.de/politik/sieben-naechte-jubel-a-b9d7569c-0002-0001-0000-000046197095?context=issue)
[13] Ebd.
[14] Ebd.
[15] Ebd.
[16] GEWALT AUF DEM CAMPUS – DER SPIEGEL (22.10.1967, DER SPIEGEL 44/1967)(https://www.spiegel.de/politik/gewalt-auf-dem-campus-a-20de0726-0002-0001-0000-000046197096)
[17] Ebd.
[18] WELCHER PERSER ISST SCHON SCHWEIN? – DER SPIEGEL (12.11.1967, DER SPIEGEL 47/1967)
(https://www.spiegel.de/politik/welcher-perser-isst-schon-schwein-a-bb99987b-0002-0001-0000-000046209484?context=issue)
[19] Ebd.
[20] Bahman Nirumand: Persien, Modell eines Entwicklungslandes oder die Diktatur der Freien Welt. Rowohlt, Reinbek 1967, S. 147-148
[21] Chicago Tribune, 22 Januar 1965, S. 1A-11
[22] Bahman Nirumand: Weit entfernt von dem Ort, an dem ich sein müsste. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2011, S. 145
[23] درباره کنفدراسیون – CISNU
(https://cisnu.com/درباره-کنفدراسیون)
[24] کنفدراسیون دانشجویان ایرانی – مشروطه
(https://www.mashruteh.org/wiki/index.php?title=کنفدراسیون_دانشجویان_ایرانی)
[25] سوءقصد به جان شاهنشاه محمدرضا شاه پهلوی کاخ مرمر ۲۱ فروردین ۱۳۴۴ – مشروطه(https://www.mashruteh.org/wiki/index.php?title=سوءقصد_به_جان_شاهنشاه_محمدرضا_شاه_پهلوی_کاخ_مرمر_۲۱_فروردین_۱۳۴۴)
[26] BGH, 25.07.1963 – 3 StR 64/62 – Beurteilung der Tudeh-Partei als verfassungsfeindliche Vereinigung
(https://www.anwalt24.de/urteile/bgh/1963-07-25/3-str-64_62)
[27] ماهنامه ۱۶ آذر – شماره ۶ – تیر، مرداد، شهریور ۱۳۴۵، ص. ۱
[28] کنفدراسیون دانشجویان ایرانی – مشروطه
(https://www.mashruteh.org/wiki/index.php?title=کنفدراسیون_دانشجویان_ایرانی#cite_ref-27)
[29] Lecture about the Situation in Persia by Dr. Bahman Nirumand, followed by a Discussion, on the Eve of the Shah’s Visit to West Berlin (Excerpts) | Wilson Center Digital Archive
(https://digitalarchive.wilsoncenter.org/document/lecture-about-situation-persia-dr-bahman-nirumand-followed-discussion-eve-shahs-visit-west)
[30] Ebd.
[31] Bahman Nirumand: Weit entfernt von dem Ort, an dem ich sein müsste. Autobiographie. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2011, S.132
[32] Ebd. (S. 132)
[33] Wolfgang Kraushaar : Die blinden Flecken der 68er-Bewegung, Stuttgart 2018, S. 77
[34] Parviz Sabeti Iran Mostanad_مستند پرویز ثابتی _ اداره سوم ساواک _من و تو : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive
(https://archive.org/details/parviz-sabeti-iran-mostanad-part-2)
[35] Zur Geschichte der Roten Armee Fraktion (RAF) und ihrer Kontexte: Eine Chronik
(https://zeitgeschichte-online.de/sites/default/files/documents/ChronologieRAF.pdf)
[36] Stefan Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex, 2008, S. 171
[37] Vor 50 Jahren: Ulrike Meinhof und der Anschlag auf den Axel Springer Verlag in Hamburg – Thomas Schmid
(https://schmid.welt.de/2022/05/26/vor-50-jahren-ulrike-meinhof-und-der-anschlag-auf-den-axel-springer-verlag-in-hamburg)
[38] Kommando 2. Juni
(https://socialhistoryportal.org/sites/default/files/raf/0019720519_9.pdf)
[39] Ebd. (S. 112)
[40] Ebd. (S. 112)
[41] Ebd. (S. 112)
[42] Ebd. (S. 113)
[43] Publizist Bahman Nirumand im Interview: “Der Iran ist reif für die Demokratie” | taz.de
(https://taz.de/Publizist-Bahman-Nirumand-im-Interview/!5116280)
[44] »ES KRACHT AN ALLEN ECKEN UND ENDEN« – DER SPIEGEL (8.12.1968, DER SPIEGEL 50/1968)
(https://www.spiegel.de/politik/es-kracht-an-allen-ecken-und-enden-a-48a8a5ad-0002-0001-0000-000045876621?context=issue)